Schwarm, akademischer

Unlängst in einem privaten Briefwechsel:

> Denkst du, dass der Habeck die Presse beauftragt hat, bewusst zu lügen über das, was an der Fähre passiert ist?

Nein, im Gegenteil. Niemand muß die Presse beauftragen. Das passiert in trauter Einigkeit, die haben an den gleichen Unis studiert, teilen sich ein Weltbild, lieben sich innig….

Nun lese ich dieses:

„Yarvin argumentiert, dass Wahlen nur die Fassade einer tieferliegenden Herrschaftsstruktur sind. Während Präsidenten und Parteien wechseln, bleibt das ideologische Fundament der renommierten Institutionen des Landes unangetastet. Tatsächlich gibt, so Yarvin, ein Netzwerk aus Journalisten und Professoren informell die Richtung vor, in die sich dann Politiker, NGOs und Bürokraten im öffentlichen Dienst aufmachen.

Dieses Netzwerk formt die politische Realität, indem es definiert, was als vernünftig und akzeptabel gilt. Und besonders: Welche Meinungen Prestige bringen und dadurch den Status desjenigen erhöhen, der sie teilt.

Bei Yarvin heißt dieses Machtgefüge „Kathedrale“. (…)

Die Kathedrale ist ein sich selbst organisierendes System, in dem niemand Befehle von oben erhalten muss, um es in Gang zu halten. Die Meinungen, an denen sich die Eliten orientieren, entstehen Bottom-up. Mal werden sie „Wokeness“ oder „Progressivismus“ genannt, mal „Postmoderne“ oder „Kulturmarxismus“ – gemein ist ihnen stets, dass es kein Politbüro gibt, denen sie ihre Existenz verdanken. (mehr …)

Humanismus und modernes Leben (in Bearbeitung)

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vollzog sich (zumindest in Deutschland) eine tiefe Spaltung zwischen den Geisteswissenschaften und dem „Ingenieurmilieu“. Die großindustrielle Produktion hatte sich fest etabliert und das kapitalistische Wirtschaftssystem hatte den ersten Höhepunkt der Entwicklung erreicht. Das Bildungsbürgertum empfand die Epoche als Krise, der Glaube an den Fortschritt ging verloren. Das Ideal der geistigen Entwicklung, des Großen und Schönen im Menschen, der künstlerisch-musischen Bildung sah sich in scharfem Gegensatz zu der Realität von Industrie und Kapitalismus gestellt. „In dem Maße, wie die Entfaltung der bürgerlichen Gesellschaft dem frühbürgerlichen Fortschrittsoptimismus praktisch den Boden entzieht, kommt es in Deutschland denn auch zu einer besonders scharfen Entgegensetzung in der Bewertung gesellschaftlich – praktischer Tätigkeit auf der einen Seite und innerer, geistiger Vervollkommnung auf der anderen Seite. […] Die Dominanz eines stark ‚geisteswissenschaftlich‘ geprägten Bildungsideals stellte die Ingenieure vor erhebliche gesellschaftliche Anerkennungsprobleme: galten sie doch weithin als die Exponenten jenes äußerlichen, profan – rationalistischen Zweckmäßigkeitsdenkens“, das als Indikator für den Niedergang der abendländischen Kultur angesehen wurde.

Dieses angesprochene Bildungsideal war entscheidend durch die Idee des Humanismus geprägt. „Er bezeichnet so die Gesinnung, die das eigentliche Leben des Menschen im Geistigen erblickt, die die geistige Bildung als die Macht versteht, die den Menschen eigentlich zum Menschen macht. So ist der Begriff des Humanismus auch am Anfang des 19. Jahrhunderts geprägt worden, indem die humanistische Bildung der vom Nützlichkeits – Standpunkt geleiteten Realbildung entgegengesetzt wurde.“

Diesem humanistischen Bildungsideal stand die Neuzeit nun frontal gegenüber, und wohl aus diesem Grund wurde die Neuzeit als Niedergang der abendländischen Kultur verstanden.

Die Gegenposition wurde schon bald formuliert: Die Leitung der Gesellschaft müsse den Technikern übergeben werden, denn der Techniker sei der neue Menschentypus, der Mensch der Zukunft, das Gegenstück zum die Technik mißbrauchenden Kapitalisten. Die Konsequenz dieser Weltanschauung hieß ‚Technokratie‘.

Dem humanistisch orientierten Bürgertum wurde vorgeworfen, versagt zu haben, beispielsweise beim Umgang mit den modernen Wissenschaften und der Technik. Die Wurzel der Übel der Neuzeit seien in eben diesem Versagen zu suchen und nicht in der Technik selbst.

(mit Zitaten von Hellmuth Lange und Rudolf Bultmann)

Wikipedia: Die Rechtfertigung für eine intensive Neubelebung bzw. nötige Rettung der humanistischen Bildungsidee leitete Jaeger aus veränderten Zeitumständen und Herausforderungen ab: „Der Prozentsatz der Bevölkerung, der an dem angestammten geistigen Besitzstand unserer Nation wirklich inneren Anteil hat, nimmt im Zeichen der fabrikmäßigen Massenproduktion der Popularwissenschaft und der Einführung von Kino, Rundfunk und Taschenmikroskop auf der Schule von Jahr zu Jahr ab. Die mächtigsten Wirtschaftsschichten unseres Volkes, Arbeitermasse und Großkapital, sind mit den wohlbekannten Ausnahmen den Grundlagen unserer humanen Kultur fremd, ja ihr teilweise feindselig. Der mittlere Bürgerstand aber, bei dem diese Interessen erblich und wenn auch nicht ohne Schwankungen bis vor kurzer Zeit am sichersten geborgen waren, wird zwischen den großen Mühlsteinen der modernen Wirtschaft zerrieben.“ Immer frühzeitiger erfasse „das Triebwerk der Berufsmaschine“ den Geist der Heranwachsenden und füttere ihn mit nutzenbezogenem „Zivilisationswissen“ auf Kosten der geistigen Individualität und freier seelischer Entfaltung. Das führe „zu rationalistischer Entleerung und Abplattung des Lebens, zu brutalen Reaktionen der vergewaltigten Natur, zur ungesunden Hypertrophie des Erwerbs- und Vergnügungssinnes, zur Aufhebung der geistigen Selbständigkeit von Staat und Kultur.“ Überzivilisation einerseits und Zivilisationsflucht andererseits vernichteten in letzter Übersteigerung die Kultur. Denn diese sei nicht äußerer Apparat noch formlose Innerlichkeit, sondern „hellstes Wissen des Geistes um sich selbst und sicheres Ruhen in seiner Form, zweckfreies Sein und Können.“ Alle echte Bildung sei humanistisch: „Bildung des Menschen zum Menschen.“

Dem entgegen, bzw. parallel: „Sartre beschrieb sein Konzept als einen „Humanismus des Bedürfnisses“, den er dem „Humanismus der Arbeit“ – der Idee der Leistungsgerechtigkeit – als Alternative entgegenstellte. Der Humanismus des Bedürfnisses sei der einzige, der die ganze Menschheit zum Gegenstand habe; er beruhe auf dem Prinzip, dass das Bedürfnis und nicht das Verdienst Recht schaffe (Bedarfsgerechtigkeit). Die Beseitigung des Verdienstes sprenge die letzte Schranke, die die Menschen trenne.“

Daß dieser Ansatz, so gut er gemeint gewesen sein mag, nicht funktioniert, müssen wir nun in aller Konsequenz erleben.

Dies sei die Überleitung zu „Universe 25

Das „Universe 25“-Experiment und das tragische Ende im Mäuseparadies

Das „Universe 25“-Experiment, eines der faszinierendsten und gleichzeitig wegweisendsten wissenschaftlichen Experimente in der Geschichte, wurde vom amerikanischen Verhaltensforscher John B. Calhoun zwischen 1958 und 1962 durchgeführt.
Ziel dieses Experiments war es, die sozialen Dynamiken in einer idealisierten, ressourcenreichen Umgebung zu untersuchen, um zu verstehen, wie Überbevölkerung und soziale Dichte das Verhalten von Individuen beeinflussen.
Calhoun entwarf ein sogenanntes „Mäuse Paradies“, eine künstlich geschaffene Umgebung, in der die Ratten oder Mäuse keinerlei äußeren Bedrohungen ausgesetzt waren. Sie hatten Zugang zu reichlich Nahrung, Wasser und Platz, sodass es an nichts mangelte, um eine gesunde und wachsende Population zu unterstützen.
Diese Bedingungen wurden geschaffen, um zu sehen, wie sich eine Population entwickelt, wenn keine äußeren Stressfaktoren wie Nahrungsmangel oder Raubtiere vorhanden sind.
Die Frage, die Calhoun untersuchte, war: Wie würde sich das soziale Verhalten in einer Umgebung ändern, in der alle Grundbedürfnisse erfüllt sind?
In den ersten Monaten des Experiments schien das Mäuse Paradies genau das zu sein, was der Name versprach: Die Mäusekolonie gedieh. Die Population wuchs schnell, die sozialen Interaktionen verliefen in geordneten Bahnen, und es gab reichlich Nachwuchs.
Doch nach 317 Tagen begann sich das Wachstum zu verlangsamen, und bald darauf traten ernste soziale Probleme auf.
Als die Population etwa 600 Mäuse erreichte, veränderte sich das Verhalten innerhalb der Kolonie drastisch.
In dieser Phase des Experiments begann sich die Gesellschaft der Mäuse stark zu verändern. Hierarchien bildeten sich, und die stärksten und aggressivsten Individuen übernahmen die Kontrolle über bestimmte Gebiete und Ressourcen.
Dies führte dazu, dass schwächere Mäuse in die Randbereiche gedrängt wurden, wo sie weniger Zugang zu Nahrung und Schutz hatten.
Während die stärkeren Mäuse aggressiv wurden und Gewalt ausübten, begannen die sozialen Strukturen zu zerbrechen.
Männchen, die normalerweise für die Verteidigung und Fortpflanzung verantwortlich waren, verloren zunehmend das Interesse an ihren sozialen Rollen.
Aggression und abnormales Verhalten wurden immer häufiger. Die Mäuse begannen, sich auf destruktive Weise gegeneinander zu wenden. Weibchen, die zuvor für die Brutpflege zuständig waren, wurden zunehmend aggressiv gegenüber ihren Jungen und vernachlässigten sie.
Das führte zu einem drastischen Anstieg der Kindersterblichkeit.
Die sozialen Interaktionen, die normalerweise den Zusammenhalt und das Wachstum der Kolonie fördern sollten, brachen immer weiter auseinander.
Ein besonderes Phänomen war das Auftreten der sogenannten „schönen Mäuse“. Diese Gruppe von Männchen zog sich vollständig aus der sozialen Interaktion zurück.
Anstatt sich an Kämpfen oder Fortpflanzungsversuchen zu beteiligen, verbrachten sie ihre Zeit damit, sich selbst zu pflegen.
Sie waren optisch makellos und frei von Verletzungen, da sie keinerlei Auseinandersetzungen mehr führten.
Doch diese Mäuse hatten keinerlei Interesse an der Fortpflanzung oder sozialer Interaktion. Sie lebten isoliert und vermieden den Kontakt zu anderen.
Gleichzeitig nahm das Geburtsrate drastisch ab, während die Sterblichkeit unter den Jungtieren nahezu 100 % erreichte.
Das kollektive Desinteresse an Fortpflanzung und die Störung der sozialen Bindungen führte schließlich zu einem Kollaps der gesamten Population.
Die Mäuse, die sich nicht fortpflanzten, dominierten die Gesellschaft, und die Geburten hörten vollständig auf. Das Endergebnis war eine Katastrophe: Die Population der Mäuse brach zusammen, und die wenigen Überlebenden zeigten extreme Verhalten, darunter Kannibalismus und gleichgeschlechtliche Interaktionen.
Letztendlich führte dieses Experiment 25, welches das 25. einer Reihe von Experimenten war, zu einem vollständigen kulturellen und biologischen Kollaps der Population.
Diese Ergebnisse sind als das Phänomen des sozialen Zusammenbruchs bekannt und haben seitdem zahlreiche Diskussionen über die Natur sozialer Dynamiken ausgelöst, insbesondere in Bezug auf das Leben in dicht besiedelten, urbanen Umgebungen.
Das „Universe 25“-Experiment hat sich als eine Modellstudie für die Erforschung von sozialem Zerfall etabliert und wird oft in Zusammenhang mit modernen städtischen Problemen gebracht, wie etwa Überbevölkerung, Isolation und die Zunahme von Verhaltensstörungen.
Calhoun sah in seinen Experimenten eine Warnung für die menschliche Gesellschaft. Er argumentierte, dass ähnlich wie bei den Mäusen, eine Überbevölkerung und fehlende sinnvolle soziale Interaktionen bei Menschen zu ähnlichen Verhaltensstörungen führen könnten.
Trotz der Kritik, dass das Verhalten von Mäusen nicht eins zu eins auf Menschen übertragen werden kann, bietet das „Universe 25“-Experiment wichtige Einsichten in die Dynamiken, die in überfüllten sozialen Umgebungen entstehen können.
Statement: Für mich eines der spannendsten Experimente die jemals durchgeführt wurden. Auch wenn bei diesem „Experiment“ Tiere involviert waren und ich nach wie vor strikt gegen Tierversuche bin.
Für mich stellen sich hierbei aber nun folgende Fragen:
Wie beeinflussen Isolation, der Bruch zwischenmenschlicher Interaktionen und Überbevölkerung das menschliche Verhalten?
Und was können wir tun, um diesen sozialen Zerfall in unseren zunehmend urbanisierten Gesellschaften zu verhindern?
Und die wichtigste Frage von allen: Wann haben wir die Spitze des Eisbergs erreicht im Bezug auf den Wendepunkt zwecks Überbevölkerung und den damit verbundenen Problemen.

Die Ideologie des Trumpismus wird die USA und die Welt verändern

Eine Analyse durch den russischen Philosophen und Soziologen Alexander Dugin, die ich mir nicht zueigen mache, die ich aber für erhellend halte. Hierher kopiert aus dieser Quelle.

(Wem das nicht genügt, hier noch ein Artikel von ihm, zitiert bei Hadmut Danisch.)

Trumps Revolution

Jetzt sind alle in Russland und in der Welt perplex: Was geschieht in den USA? Nur wenige Experten in unserem Land – insbesondere Alexander Jakowenko – haben wirklich Verständnis dafür, wie gravierend die Veränderungen in den USA sind. Jakowenko meinte zu Recht, dass „dies eine Revolution ist“. Und das stimmt tatsächlich.

Der designierte US-Präsident Trump und seine engsten Vertrauten – in erster Linie der passionierte Elon Musk – zeigen eine geradezu revolutionäre Aktivität. Zwar ist Trump noch nicht im Amt – das wird am 20. Januar passieren – doch Amerika und Europa geraten schon jetzt ins Wanken. Es ist ein ideologischer und geopolitischer Tsunami, mit dem – ehrlich gesagt – niemand gerechnet hat. Viele hatten erwartet, dass Trump nach seiner Wiederwahl – wie es während seiner ersten Amtszeit als US-Präsident bereits der Fall war – zu einer mehr oder weniger konventionellen Politik zurückkehren würde. Auch wenn er dabei seine charismatischen und spontanen Züge beibehält. Es lässt sich jedoch schon jetzt sagen, dass dies nicht zutrifft. Trump bedeutet eine Revolution. Gerade in dieser Übergangszeit des Machtwechsels von Biden zu Trump macht es also Sinn, sich ernsthaft mit der Frage zu befassen: Was passiert in den USA? Denn dort passiert definitiv etwas – und zwar etwas sehr, sehr Wichtiges. (mehr …)

Oligarchie und Kultureliten

„Die amerikanische Milliardärsschicht mag sehr reich sein und sie verfügt über beträchtliche wirtschaftliche und technokratische Macht. Aber es handelt sich um eine Oligarchie, der es sowohl an Autorität als auch an Legitimität mangelt. Eine der auffälligsten Erscheinungen ihrer Legitimationskrise ist, dass sie keine überzeugende Erklärung für ihre Rolle abgeben kann. Es fehlt ihr an einem Projekt und an einer Zielvorstellung. Sie glaubt auch nicht an sich selbst und ist nicht davon überzeugt, dass sie das Recht hat, zu herrschen. Ihre Orientierungslosigkeit als Oligarchie wird durch den Verlust der Überzeugung von den Werten und der Weltanschauung, in die die Vorgängerelite hineinsozialisiert wurde, noch verschärft.

Im Bemühen, einen Weg zur Lösung des Legitimationsproblems zu finden, haben verschiedene Elitengruppen mit neuen institutionellen und ideologischen Lösungen experimentiert. In ähnlicher Weise haben sich die Regierungen ein Ethos des ständigen Wandels und der Reformen zu eigen gemacht. Die Oligarchen sind ständig auf der Suche nach einem Leitbild, mit dem sie ihre Rolle als Elite bekräftigen können. Deshalb leben wir in einer Zeit der offiziellen und halboffiziellen Werte und Leitbilder. Deshalb haben so viele Unternehmenschefs die Regenbogenflagge geschwenkt und die Identitätspolitik in ihren Unternehmen institutionalisiert. Infolgedessen ist die kulturelle Orientierung zu einer vorherrschenden Form des Selbstverständnisses und der Selbstdefinition der Eliten geworden. In diesem Zusammenhang spielen die kulturellen Eliten eine entscheidende Rolle bei der Konstituierung der oligarchischen Zusammengehörigkeit.“

Ganzer Artikel hier

Gaius Baltar: Der schwache Westen

Gekürzte Fassung dieses Originalartikels, Übersetzung: DeepL

(…) Jeder Tag, der vergeht, offenbart die Ohnmacht des Westens mehr und mehr, und die Situation wird geradezu beschämend. An diesem Punkt schüttelt der Rest der Welt entweder den Kopf oder lacht einfach über den Westen und seine Politiker und Diplomaten – ganz zu schweigen von seinen verrückten Bevölkerungen.

Die Dysfunktion des Westens geht weit über die Situation im Zusammenhang mit dem Ukraine-Projekt hinaus. Sie ist absolut überall. Der Westen ist generell nicht in der Lage, Diplomatie zu betreiben, er kann seine Städte oder Länder nur in den Ruin treiben, seine Hightech-Projekte scheitern fast immer, seine Infrastruktur bröckelt, seine Volkswirtschaften bröckeln, und alle öffentlichen Maßnahmen scheinen einen zivilisatorischen Selbstmord als Endziel zu haben. Auch die Kontrollmechanismen des Westens über den Rest der Welt bröckeln, darunter der Dollar, Sanktionen, farbige Revolutionen, militärische Interventionen und Drohungen. Nichts scheint zu funktionieren, und alles, was der Westen tut, scheint die Dinge noch schlimmer zu machen.

Jeder vernünftige Mensch, der einen westlichen Führer, Diplomaten oder „Experten“ sprechen hört, stellt sich diese Frage: „Lügen sie nur oder sind sie wirklich so inkompetent und wahnhaft?“ Die Antwort lautet „beides“, aber der Faktor Inkompetenz ist weitaus größer, als sich die meisten Menschen vorstellen können.

Warum ist dies geschehen? Es ist klar, dass die Ursache viel tiefer liegt als die Deindustrialisierung des Westens oder wirtschaftliche Probleme im Allgemeinen. Die Wirtschaft erklärt nicht die unglaubliche Inkompetenz, die der Westen vor und während des Krieges in der Ukraine gezeigt hat.

Ich behaupte, dass die Ursache für diese sich abzeichnende Katastrophe ein ernstes strukturelles Problem im Westen ist – das Russland anscheinend weitgehend vermieden hat. Dieses strukturelle Problem ist eine notwendige Bedingung für das derzeitige westliche System und wurde absichtlich geschaffen, um es herbeizuführen und aufrechtzuerhalten. Dieses Problem ist das Thema dieses Artikels – ebenso wie der „Mechanismus“ dahinter. Dies ist leider ein langer Artikel, aber das Thema erfordert es.

(mehr …)

Der Fall Rohwedder

Hier ein zeitgeschichtlicher Text, den ich vor sehr langer Zeit ohne Quellenangabe heruntergeladen hatte. Es scheint sicher zu sein, daß das Kapitel aus diesem Buch stammt.

Der Schluß habe ich vornan gestellt.

Diese Version ist leicht gekürzt, die vollständige Version ist hier.

Bei der erwähnten Protestbewegung war ich dabei und kann bestätigen, daß uns schlagartig jeglicher Drive verlorenging. Es war das Ende einer hoffnungsvollen Zeit.

Ich halte es für sehr wichtig, darüber zu informieren. Es dürfte unerheblich sein, wer tatsächlich geschossen hat. Entscheidend war das „Framing“, wie man heute sagt.

Ich glaube, daß etwas Ähnliches gerade in diesen Tagen wieder passiert, mit umgekehrtem Vorzeichen:

 

„Zum Abschluß bleibt nur noch, ein Fazit über den Anschlag der sogenannten »RAF« auf Detlev Karsten Rohwedder zu ziehen. Mit ihrem Attentat wollten sich die Täter an die Spitze der Protestbewegung stellen, wie immer für die einsitzenden »RAF«-Gefangenen kämpfen und die »reaktionäre Entwicklung« im Osten »an der Wurzel treffen«. Im Rückblick bleibt nur die sarkastische Formel: Operation geglückt, Patient tot. Das schießende Kommando bewirkte in allen Punkten das glatte Gegenteil von dem, was es vor gab erreichen zu wollen.
Für die demokratische Protestbewegung im Osten gegen die gebrochenen Wahlversprechen der Regierung Kohl, den Ausverkauf der Treuhand und die Schließung der Betriebe war das Attentat der Todeskuß. Zusammen mit Mördern wollte niemand mehr protestieren und demonstrieren, die Demo-Busse blieben leer.
Auch für die sogenannten »Gefangenen aus der RAF« war das Attentat eine Katastrophe. Scharfmacher von rechts wie der CSU-Generalsekretär Huber holten zum endgültigen Schlag gegen lebensnotwendige demokratische Rechte von Häftlingen aus. Die »RAF«-Gefangenen gerieten traditionell als Drahtzieher in Verdacht. Noch immer gehen sie nach Meinung von sogenannten »Sicherheitspolitikern« zur Logistik der draußen operierenden »RAF« dazu und sind damit für jeden Mord quasi automatisch mitverantwortlich.
Schließlich hat das » RAF«-Kommando auch die »reaktionäre Entwicklung« in Ost- und Westdeutschland zielsicher vorangebracht. Mit dem Tod Rohwedders wurde rücksichtslos Innenpolitik getrieben, von der Forderung vom Zugriff auf die Stasi-Akten bis hin zur Absicherung von sogenannten »verdeckten Ermittlern «, mithin der Installation eines Spitzelsystems von Stasi-Ausmaßen. Den »Systemveränderern von rechts«, und dies ist keine polemische Übertreibung, war auch dieses Attentat willkommen, um die Bundesrepublik noch ein Stück mehr in Richtung eines totalitären Staates zu steuern.
Auch die reaktionäre Entwicklung im Osten brachte der Mord hurtig nach vorn. Mit der Installation der Politikerin Breuel konnte endlich der riesige Umverteilungsprozeß nach amerikanischem Zuschnitt ungehindert stattfinden, der da lautet: Profite privatisieren, Verluste sozialisieren. So war auch der »Große Bruder« USA, angeblicher »imperialistischer Erzfeind« der »RAF«, am Ende vollauf zufrieden. Die Zugeständnisse der Treuhand an die Unternehmen, zum Beispiel den Verzicht auf Ubernahme der Altlasten durch Investoren, zahlt der deutsche Steuerzahler. Die dreihundert oder mehr Milliarden fließen von deutschen Gehaltskonten via Treuhand in die Kassen der Konzerne. Der deutsche Steuerzahler hilft, das krisengeschüttelte internationale Kreditgewerbe zu sanieren, dem er als neuer Großkreditnehmer gerade recht kam. Die Frage, warum die Treuhand eigentlich nicht mehr Geld spart, statt immer mehr Schulden zu machen, ist da naiv. Längst geht es um ganz andere Interessen als die einer soliden Haushaltsführung im Sinne der Staatsbürger. Wer spart, statt Kredite aufzunehmen, raubt.den Banken ihren Gewinn. Das ist nicht nur bei Otto Normalverbraucher so, sondern auch zwischen Staaten und internationalen Banken.“

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Mit dem Latein am Ende (1969)

Quelle: Der Spiegel, Hefte 26…42 / 1969

23.06.1969

„Mit dem Latein am Ende“

Heute wird gern totgesagt: die Ehe, das Parlament, Opas Kino, der liebe Gott und auch die Universität. Doch alles atmet noch ein bißchen, und wie noch immer Ehen wider den Zeitgeist geschlossen werden und für manche die Bibel immer noch recht hat, so schleppt sich auch die Alma mater von Semester zu Semester — zu gesund zum Sterben, zu krank zum Leben.

Am Krankenbett drängen sich 300 000 Studenten, 30 000 wissenschaftliche Mitarbeiter, 7000 Professoren — lehrend und lernend so gut es noch geht, untereinander und miteinander streitend, uneins über Diagnose und Therapie — sowie das große Konsilium aller, die auch ein Rezept haben.

Da ist der Wissenschaftsrat, ein angesehenes Gremium von Hochschullehrern, Kulturpolitikern, Industriellen und Ministerialbeamten, das seit 1958 Regierungen wie Hochschulen berät und umfängliche Reformempfehlungen vorlegt — doch weder Politiker noch Universitäten brauchen sich daran zu halten.

Da ist die Westdeutsche Rektorenkonferenz (WRK), das Forum der Hochschul-Chefs — zumeist nur reagierend auf das, was andere fordern oder verwerfen; sie hat 73 Plenarversammlungen hinter sich gebracht und denkt vorerst weiter nach über die „Neuordnung der Lehrkörperstruktur“.

Da ist der Verband Deutscher Studentenschaften (VDS), der Dachverband deutscher Hochschüler, der früher als staatsbeflissen galt und jetzt wie ein „sozialistischer Kampfverband“ auftritt — heute Reformen verneinend, die er einst erstrebte.

Laut Grundgesetz für Hochschulfragen bisher nicht zuständig, aber auf Mehrung von Kultur-Kompetenzen bedacht: der Bund, dem jetzt vom Parlament eine gewisse Verantwortlichkeit für die „Allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens“ übertragen wurde — doch noch ist ungewiß, wie weit diese Kompetenzen reichen sollen.

Ganz und gar zuständig in Hochschulfragen: die Kultusminister der Länder, die es fast zwei Jahrzehnte lang den Hochschulen überließen, sich selbst zu reformieren und nun, da sich diese Hoffnung als trügerisch erweist, allenthalben Hochschulgesetze planen oder mit Hilfe der Parlamente durchsetzen — zum Verdruß der auf Eigenständigkeit bedachten Universitäten.

Vernünftiges wie Aberwitziges, Banales wie Hochtrabendes erschallt aus dem dissonanten Chor der Studenten, die dem ehemaligen Stuttgarter Rektor Professur Fritz Leonhardt in ihrer Mehrheit noch immer „viel zu pflichtbewußt und fleißig, aber nicht wagemutig und streitbar genug“ vorkommen, in ihren radikalen Minderheiten aber eher streitwütig gegen „reformistische Scheiße“ agitieren, die „alte Wissenschaft“ für tot erklären und Steine werfen für eine neue Welt.

Progressives wie Reaktionäres, Einsichtiges wie Borniertes ist aus der Schar der Professoren zu vernehmen, die sich in ihrer Mehrheit als reformunfähig oder reform-unwillig erwiesen haben und nunmehr eher hilflos dem studentischen Aufbegehren gegenüberstehen; manche von ihnen glauben noch immer, daß die deutsche Universität — wie es der Historiker Hermann Heimpel einmal in den fünfziger Jahren ausdrückte — „in ihrem Kern gesund“ sei. (mehr …)