Der Fall Rohwedder

Hier ein zeitgeschichtlicher Text, den ich vor sehr langer Zeit ohne Quellenangabe heruntergeladen hatte. Ich vermute, weiß es aber nicht, daß das Kapitel aus diesem Buch stammt.

Der Schluß habe ich vornan gestellt.

Bei der erwähnten Protestbewegung war ich dabei und kann bestätigen, daß uns schlagartig jeglicher Drive verlorenging. Es war das Ende einer hoffnungsvollen Zeit.

Ich halte es für sehr wichtig, darüber zu informieren. Es dürfte unerheblich sein, wer tatsächlich geschossen hat. Entscheidend war das „Framing“, wie man heute sagt.

Ich glaube, daß etwas Ähnliches gerade in diesen Tagen wieder passiert, mit umgekehrtem Vorzeichen:

 

„Zum Abschluß bleibt nur noch, ein Fazit über den Anschlag der sogenannten »RAF« auf Detlev Karsten Rohwedder zu ziehen. Mit ihrem Attentat wollten sich die Täter an die Spitze der Protestbewegung stellen, wie immer für die einsitzenden »RAF«-Gefangenen kämpfen und die »reaktionäre Entwicklung« im Osten »an der Wurzel treffen«. Im Rückblick bleibt nur die sarkastische Formel: Operation geglückt, Patient tot. Das schießende Kommando bewirkte in allen Punkten das glatte Gegenteil von dem, was es vor gab erreichen zu wollen.
Für die demokratische Protestbewegung im Osten gegen die gebrochenen Wahlversprechen der Regierung Kohl, den Ausverkauf der Treuhand und die Schließung der Betriebe war das Attentat der Todeskuß. Zusammen mit Mördern wollte niemand mehr protestieren und demonstrieren, die Demo-Busse blieben leer.
Auch für die sogenannten »Gefangenen aus der RAF« war das Attentat eine Katastrophe. Scharfmacher von rechts wie der CSU-Generalsekretär Huber holten zum endgültigen Schlag gegen lebensnotwendige demokratische Rechte von Häftlingen aus. Die »RAF«-Gefangenen gerieten traditionell als Drahtzieher in Verdacht. Noch immer gehen sie nach Meinung von sogenannten »Sicherheitspolitikern« zur Logistik der draußen operierenden »RAF« dazu und sind damit für jeden Mord quasi automatisch mitverantwortlich.
Schließlich hat das » RAF«-Kommando auch die »reaktionäre Entwicklung« in Ost- und Westdeutschland zielsicher vorangebracht. Mit dem Tod Rohwedders wurde rücksichtslos Innenpolitik getrieben, von der Forderung vom Zugriff auf die Stasi-Akten bis hin zur Absicherung von sogenannten »verdeckten Ermittlern «, mithin der Installation eines Spitzelsystems von Stasi-Ausmaßen. Den »Systemveränderern von rechts«, und dies ist keine polemische Übertreibung, war auch dieses Attentat willkommen, um die Bundesrepublik noch ein Stück mehr in Richtung eines totalitären Staates zu steuern.
Auch die reaktionäre Entwicklung im Osten brachte der Mord hurtig nach vorn. Mit der Installation der Politikerin Breuel konnte endlich der riesige Umverteilungsprozeß nach amerikanischem Zuschnitt ungehindert stattfinden, der da lautet: Profite privatisieren, Verluste sozialisieren. So war auch der »Große Bruder« USA, angeblicher »imperialistischer Erzfeind« der »RAF«, am Ende vollauf zufrieden. Die Zugeständnisse der Treuhand an die Unternehmen, zum Beispiel den Verzicht auf Ubernahme der Altlasten durch Investoren, zahlt der deutsche Steuerzahler. Die dreihundert oder mehr Milliarden fließen von deutschen Gehaltskonten via Treuhand in die Kassen der Konzerne. Der deutsche Steuerzahler hilft, das krisengeschüttelte internationale Kreditgewerbe zu sanieren, dem er als neuer Großkreditnehmer gerade recht kam. Die Frage, warum die Treuhand eigentlich nicht mehr Geld spart, statt immer mehr Schulden zu machen, ist da naiv. Längst geht es um ganz andere Interessen als die einer soliden Haushaltsführung im Sinne der Staatsbürger. Wer spart, statt Kredite aufzunehmen, raubt.den Banken ihren Gewinn. Das ist nicht nur bei Otto Normalverbraucher so, sondern auch zwischen Staaten und internationalen Banken.“

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Mit dem Latein am Ende (1969)

Quelle: Der Spiegel, Hefte 26…42 / 1969

23.06.1969

„Mit dem Latein am Ende“

Heute wird gern totgesagt: die Ehe, das Parlament, Opas Kino, der liebe Gott und auch die Universität. Doch alles atmet noch ein bißchen, und wie noch immer Ehen wider den Zeitgeist geschlossen werden und für manche die Bibel immer noch recht hat, so schleppt sich auch die Alma mater von Semester zu Semester — zu gesund zum Sterben, zu krank zum Leben.

Am Krankenbett drängen sich 300 000 Studenten, 30 000 wissenschaftliche Mitarbeiter, 7000 Professoren — lehrend und lernend so gut es noch geht, untereinander und miteinander streitend, uneins über Diagnose und Therapie — sowie das große Konsilium aller, die auch ein Rezept haben.

Da ist der Wissenschaftsrat, ein angesehenes Gremium von Hochschullehrern, Kulturpolitikern, Industriellen und Ministerialbeamten, das seit 1958 Regierungen wie Hochschulen berät und umfängliche Reformempfehlungen vorlegt — doch weder Politiker noch Universitäten brauchen sich daran zu halten.

Da ist die Westdeutsche Rektorenkonferenz (WRK), das Forum der Hochschul-Chefs — zumeist nur reagierend auf das, was andere fordern oder verwerfen; sie hat 73 Plenarversammlungen hinter sich gebracht und denkt vorerst weiter nach über die „Neuordnung der Lehrkörperstruktur“.

Da ist der Verband Deutscher Studentenschaften (VDS), der Dachverband deutscher Hochschüler, der früher als staatsbeflissen galt und jetzt wie ein „sozialistischer Kampfverband“ auftritt — heute Reformen verneinend, die er einst erstrebte.

Laut Grundgesetz für Hochschulfragen bisher nicht zuständig, aber auf Mehrung von Kultur-Kompetenzen bedacht: der Bund, dem jetzt vom Parlament eine gewisse Verantwortlichkeit für die „Allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens“ übertragen wurde — doch noch ist ungewiß, wie weit diese Kompetenzen reichen sollen.

Ganz und gar zuständig in Hochschulfragen: die Kultusminister der Länder, die es fast zwei Jahrzehnte lang den Hochschulen überließen, sich selbst zu reformieren und nun, da sich diese Hoffnung als trügerisch erweist, allenthalben Hochschulgesetze planen oder mit Hilfe der Parlamente durchsetzen — zum Verdruß der auf Eigenständigkeit bedachten Universitäten.

Vernünftiges wie Aberwitziges, Banales wie Hochtrabendes erschallt aus dem dissonanten Chor der Studenten, die dem ehemaligen Stuttgarter Rektor Professur Fritz Leonhardt in ihrer Mehrheit noch immer „viel zu pflichtbewußt und fleißig, aber nicht wagemutig und streitbar genug“ vorkommen, in ihren radikalen Minderheiten aber eher streitwütig gegen „reformistische Scheiße“ agitieren, die „alte Wissenschaft“ für tot erklären und Steine werfen für eine neue Welt.

Progressives wie Reaktionäres, Einsichtiges wie Borniertes ist aus der Schar der Professoren zu vernehmen, die sich in ihrer Mehrheit als reformunfähig oder reform-unwillig erwiesen haben und nunmehr eher hilflos dem studentischen Aufbegehren gegenüberstehen; manche von ihnen glauben noch immer, daß die deutsche Universität — wie es der Historiker Hermann Heimpel einmal in den fünfziger Jahren ausdrückte — „in ihrem Kern gesund“ sei. (mehr …)

Poststrukturalismus – wann begann es, schief zu laufen?

Ein Text von 2018, anläßlich der causa Sonneborn noch mal unverändert aus dem lokalen Archiv geholt:

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(Untertitel geklaut bei „Guru„)

Soup ist wieder kaputt, das hat mich aus dem Flow der Fortsetzungen gebracht, außerdem ändern sich die Prioritäten, wenn die Temperaturen sinken. Damit ich das jetzt mal aus der Pipeline kriege, hier zumindest noch mal der Anfang plus der dritte Teil:

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